Trotz Vergebung weiterhin traumatisiert – warum das kein Widerspruch ist
Es gibt Verletzungen, die uns bis ins Innerste treffen. Manchmal entscheiden wir uns bewusst dafür, zu vergeben – aus Liebe, aus Gehorsam gegenüber Gott oder einfach, weil wir nicht länger an Wut und Bitterkeit gebunden sein wollen. Und trotzdem merken wir: Die Seele ist weiterhin aufgewühlt. Der Körper reagiert. Erinnerungen tauchen auf. Angst meldet sich. Die alten Muster kommen wieder. Und dann stellt sich schnell die Frage: „Habe ich denn falsch vergeben? Oder nicht genug? Mache ich etwas falsch?“
Aus christlicher Sicht lautet die Antwort: Nein. Du machst nichts falsch. Es ist sogar zutiefst menschlich, dass Vergebung und Heilung nicht gleichzeitig stattfinden.
Vergebung ist eine Entscheidung – Heilung ist ein Weg
Vergebung ist oft ein klarer, innerer Schritt: „Ich lasse los. Ich gebe diesen Menschen und diese Situation in Gottes Hände.“ Doch die Seele arbeitet langsamer. Der Körper erinnert sich. Verletzungen haben Spuren hinterlassen, und diese Spuren verschwinden nicht beim ersten Akt der Vergebung.
Heilung ist ein Weg, den Gott Schritt für Schritt mit uns geht. Vergebung öffnet die Tür – aber das neue Leben dahinter betreten wir oft erst nach und nach.
Vergebung heißt nicht, dass der Schmerz nie wieder auftaucht
Viele Christen glauben im Stillen, dass echte Vergebung bedeuten müsse, dass man ab sofort keine Angst, keinen Schmerz oder keine Trigger mehr haben darf. Aber das ist weder biblisch noch seelsorgerlich realistisch.
Jesus selbst zeigt uns, dass Wunden zwar verklärt werden – aber sie bleiben sichtbar. Auferstandene Herrlichkeit, aber mit den Malen der Kreuzigung. Das heißt: Wunden können geheilt sein und dennoch Spuren behalten.
Traumareaktionen sind keine Schuld
Wenn dein Herz stolpert, wenn Erinnerungen auftauchen, wenn dein Körper dicht macht oder du innerlich einfrierst – dann ist das kein Zeichen mangelnder Vergebung. Es ist ein Zeichen, dass du ein Mensch bist, der Schlimmes erlebt hat.
Trauma sitzt nicht in der Entscheidungsebene, sondern im Nervensystem. Vergebung ist eine seelisch-geistliche Haltung, Trauma eine körperlich-seelische Reaktion. Diese beiden Ebenen laufen nicht immer synchron.
Gott verlangt nicht, dass du „funktionierst“
Manchmal denken wir, Gott wäre unzufrieden mit uns, wenn wir nach einem Akt der Vergebung immer noch verletzt reagieren. Doch Gott sieht tiefer. Er sieht die Schichten, die wir selbst nicht verstehen. Er sieht den Weg, den wir gehen müssen, und überfordert uns nicht mit einer Heilung, die wir noch nicht tragen könnten.
Er begleitet uns geduldig, ohne Druck, ohne Vorwurf. In seiner Gegenwart darfst du sagen: „Herr, ich habe vergeben – aber ich bin immer noch verletzt.“ Und er antwortet nicht mit Enttäuschung, sondern mit Nähe.
Vergeben heißt nicht: Vergessen oder Verdrängen
Viele verwechseln Vergebung mit:
– „Es darf mich nicht mehr berühren.“
– „Ich muss jetzt stark sein.“
– „Ich darf nicht mehr trauern.“
– „Ich muss das Thema abschließen.“
Doch echte Vergebung ist nicht das Wegdrücken des Schmerzes. Sie ist das Hinwenden zu Gott: „Ich lege die Schuld des anderen nicht mehr fest auf ihn. Aber ich lege meinen Schmerz fest in Deine Hände.“
Gott nimmt die Last des Grolls – aber den Weg der Heilung geht er mit dir gemeinsam, Schicht um Schicht.
Vergebung nimmt dem Täter die Macht – aber sie stoppt nicht automatisch die Folgen
Wenn wir vergeben, trennen wir uns von der Bindung des Grolls. Doch das bedeutet nicht, dass das Nervensystem sofort ruhig wird oder Erinnerungen verschwinden. Vergebung ist wie das Abschließen einer Tür. Heilung ist wie das Renovieren des ganzen Hauses dahinter.
Beides gehört zusammen – aber nicht gleichzeitig.
Was hilft, wenn du vergeben hast, aber weiterhin leidest?
- Erkenne an, dass beides nebeneinander stehen darf. Vergebung ist echt, auch wenn du noch verletzt bist.
- Nimm deine Reaktionen ernst. Sie sind kein Zeichen geistlicher Schwäche, sondern Ausdruck einer überlasteten Seele.
- Rede mit Gott in deiner eigenen Sprache. Nicht in „frommen“ Worten, sondern in ehrlichen. Sag ihm, wo es noch brennt, wo du erschrickst, wo du müde bist. Gott heilt dort, wo wir nichts verstecken.
- Erlaube dir, Grenzen zu setzen. Vergebung bedeutet nicht, sich erneut verletzen zu lassen. Manchmal bedeutet sie sogar das Gegenteil: Distanz, Schutz, Klarheit.
- Suche Menschen, die dich tragen, nicht therapieren – Ein guter Mensch an deiner Seite kann manchmal mehr tun als tausend Ratschläge.
Gott schreibt Heilung nicht in einem Moment, sondern in einem Prozess
Gott ist nicht der, der sagt: „Warum bist du noch nicht über alles hinweg?“ Er ist der, der sagt: „Ich bin bei dir in jedem Schritt. Auch da, wo du nicht weiterweißt.“
Er arbeitet oft leise, unaufdringlich, schichtweise. Und während du vielleicht denkst, du kommst nicht voran, sieht Gott bereits die Veränderung in dir:
- Den Mut, die Wahrheit auszusprechen.
- Die Kraft, loszulassen.
- Den Wunsch, zu vergeben.
- Den Willen, nicht in Bitterkeit zu bleiben.
Das sind alles Zeichen einer tiefen, echten inneren Bewegung.
Fazit: Vergebung ist ein geistlicher Akt – Trauma eine seelische Realität
Wenn du vergeben hast, aber immer noch verletzt bist, dann ist das kein Widerspruch. Es ist das normale Zusammenspiel zwischen einer Entscheidung des Herzens und einem Körper, der Zeit braucht, um Sicherheit wieder zu lernen.
Gott verurteilt dich nicht. Er schämt sich nicht für dich. Er überfordert dich nicht. Er geht mit dir.
Schritt für Schritt. In deinem Tempo. Mit unendlicher Geduld.
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