Das Wort, das auf Widerstand stößt – Auslegung zu Jeremia 26
Dieses Kapitel führt uns mitten hinein in die Spannung, die Jeremia durch sein prophetisches Wirken begleitete. Es beschreibt, was geschieht, wenn Gottes Wort ausgesprochen wird – nicht als Zustimmung, sondern als Ruf zur Umkehr. Jeremia steht im Tempel, dem heiligsten Ort Israels, und verkündet dort eine Botschaft, die erschüttert.
1. Der Auftrag im Tempel
Zu Beginn wird Jeremia von Gott gesandt, sich in den Vorhof des Tempels zu stellen und alle Worte zu verkünden, die ihm aufgetragen sind. Er soll nichts zurückhalten.
Das ist entscheidend: Ein Prophet darf Gottes Wort nicht mildern, um es gefälliger zu machen.
Jeremia predigt in einer Zeit, in der äußerlich alles geordnet scheint. Die Menschen kommen zum Opfer, die Feste werden gefeiert, die Form stimmt. Doch Gott sieht das Herz. Es ist nicht mehr von Treue erfüllt, sondern von Gleichgültigkeit. Darum lautet Jeremias Botschaft: Wenn ihr nicht umkehrt, wird der Tempel wie Schilo werden – jener Ort, an dem einst Gottes Wohnung stand, bevor sie zerstört wurde.
Diese Worte treffen das religiöse Selbstverständnis des Volkes im Innersten. Der Tempel war für sie der Beweis, dass Gott bei ihnen wohnt. Nun verkündet Jeremia, dass selbst dieser Ort nicht sicher ist, wenn das Herz fern von Gott bleibt.
2. Die Reaktion der Hörer
Kaum hat Jeremia gesprochen, wird er umringt. Priester, Propheten und das Volk fordern seinen Tod. „Du musst sterben!“, rufen sie, „weil du im Namen des Herrn gegen diesen Ort geweissagt hast.“
Hier wird deutlich, wie schwer es ist, wenn Gottes Wort die gewohnte Sicherheit infrage stellt. Die Menschen verteidigen nicht zuerst Gott, sondern ihre Vorstellungen von ihm. Doch Jeremia bleibt ruhig. Er sagt: „Der Herr hat mich gesandt, all diese Worte zu reden. Wenn ihr eure Wege bessert, wird der Herr das Unheil abwenden.“ Und er fügt hinzu: „Ich bin in eurer Hand. Tut mit mir, was euch gut und recht erscheint. Aber wisst: Wenn ihr mich tötet, vergibt ihr unschuldiges Blut.“
Dieses Bekenntnis zeigt den Mut des Propheten. Er fürchtet nicht um sein Leben, sondern um die Wahrheit des Wortes.
3. Die Verteidigung und Erinnerung
Einige der Ältesten erinnern sich an den Propheten Micha, der zu Zeiten Hiskias ebenfalls Gericht verkündete – und der nicht getötet wurde, weil der König auf seine Worte hörte. Diese Erinnerung rettet Jeremia das Leben.
So wirkt Gottes Geist durch die Geschichte hindurch. Menschen, die sich an frühere Erfahrungen des Glaubens erinnern, bewahren andere vor Unrecht.
Gleichzeitig wird ein anderer Prophet, Uria, erwähnt, der eine ähnliche Botschaft verkündete und tatsächlich getötet wurde. Das zeigt: Treue zu Gottes Wort kann unterschiedlich enden – aber sie bleibt vor Gott gültig.
4. Der Sinn dieser Begebenheit
Jeremia 26 lehrt, dass Gottes Wort nicht nur tröstet, sondern auch prüft.
Es ruft zur Entscheidung. Das Gericht, das Jeremia ankündigt, ist nicht Gottes Zorn um des Zorns willen, sondern der ernste Ruf zur Umkehr, damit Leben möglich bleibt.
Die Szene im Tempel erinnert an eine Haltung, die sich später im Neuen Testament wiederholt: Auch Jesus steht im Tempel und spricht Worte, die nicht gefallen. Er weint über Jerusalem, weil es den Tag seiner Heimsuchung nicht erkennt.
So trägt Jeremia in seiner Berufung schon das Vorbild dessen, der kommen wird. Beide sprechen im Namen Gottes, beide werden abgelehnt, beide stehen für den Willen des Vaters, der Rettung will, nicht Verderben.
5. Vom äußeren Tempel zur inneren Wahrheit
In Jeremia 26 wird deutlich, dass die Heiligkeit eines Ortes nicht von Mauern abhängt, sondern von Herzen, die Gott gehorchen. Der Tempel war Zeichen seiner Gegenwart, aber kein Schutz gegen Ungehorsam.
Später wird dieser Gedanke durch Christus vollendet: Nicht im Tempel aus Stein, sondern in seinem eigenen Leib wohnt Gott. Als dieser „Tempel“ zerstört und am dritten Tag wieder aufgerichtet wird, erfüllt sich, was Jeremia andeutete – dass Gottes Gegenwart nicht an Orte gebunden bleibt, sondern in der Gemeinschaft der Glaubenden lebt.
6. Geistliche Bedeutung für heute
Jeremia 26 spricht zu allen, die Gottes Wort hören. Es erinnert daran, dass wahres Hören mehr ist als Zustimmung. Es bedeutet, sich prüfen zu lassen. Auch heute kann das Wort Gottes unbequem sein. Es deckt auf, was verborgen ist, und ruft in Bewegung. Doch wo man es annimmt, entsteht neues Leben.
Jeremia steht uns als Beispiel für Treue. Er spricht, obwohl er weiß, dass man ihn ablehnen wird. Er bleibt aufrecht, weil er Gott mehr fürchtet als Menschen.
Solche Haltung bleibt zeitlos.
7. Schlussgedanke
Am Ende dieses Kapitels steht kein großes Wunder, keine sichtbare Rettung – nur die Bewahrung eines Propheten und das Weitergehen der Botschaft. Doch gerade darin liegt die Kraft.
Gottes Wort bleibt bestehen, auch wenn Menschen es bekämpfen.
Und durch die Geschichte hindurch führt es zu dem, in dem das Wort Fleisch wurde – zu Christus, dem wahren Zeugen der Treue Gottes.
So erinnert Jeremia 26 daran: Wer im Auftrag Gottes spricht, steht oft allein, aber nie verlassen.
Denn Gott selbst steht zu seinem Wort – damals wie heute.
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